In großen Projekten nennt man sie Meilensteine. Gedachte, vorüberlegte und definierte Marken, an denen man den realen Stand eines Projektes mit dem geplanten vergleicht, dabei Abweichungen prüft, Kurskorrekturen - wenn nötig - vornimmt und unter Umständen eine völlig andere Richtung festlegt. Ja, in bestimmten Fällen sogar den Entschluss fasst, das Projekt zu beenden.

Anders sind Wegmarken auf unserem Lebensweg zu verstehen, die wir nur gelegentlich vordefinieren, meistens erst im Nachhinein als solche erkennen. Selten nur begreifen wir die entscheidenden Faktoren, durchschauen sie nicht als Weggabelung, als Korrekturpunkte in unserem Leben.

Ich sitze auf der steinernen Treppe des uralten Gebäudes. Zum ersten Mal nach vielen Jahren. Die Bäume am Horizont, die gab es damals noch nicht oder sie waren so jung, so unscheinbar, dass ich sie nicht bemerkte. Hinter mir spüre ich die Kühle des gewaltigen Hauses, in dem ich fürs Leben vorbereitet wurde. Sein Schatten bedeckt mich, lässt mich trotz des sonnigen Tages frösteln.

Hier saß ich damals, vor tausend Jahren. Ja, ich erinnere mich. Bin ich deshalb zurückgekommen? Möchte ich an diesem Punkt, auf der ausgetretenen Treppenstufe, noch einmal entscheiden können oder dürfen?

Ich habe überlegt, krampfhaft versucht Widerspruch zu formulieren, und damit meinen Weg, der mir wichtig, richtig und sinnvoll erschien, zu begründen.

Die Argumente widersprachen sich, ich weiß es noch wie heute. Ihre Begründungen für den Weg waren so unumstößlich, erschienen mir wie eine Festung, die ich in meinen jungen Jahren unmöglich erstürmen und einreißen konnte. Wie konnte ich denn widerlegen, was sie schon immer gewusst haben?

Und wenn ich doch? Wenn ich es versucht hätte? Wenn ich an dieser Wegmarke den Kurs, die Richtung gewechselt hätte? Hätte das nicht Selbstbestimmung verlangt, die ich noch nicht besaß? Oder hätten meine Argumente, wenn ich sie tatsächlich vorgebracht hätte, gereicht? Hätten sie etwas bewegt, Nachdenken erzeugt?

Was wäre aus meinem Lebensweg geworden, wenn ...

Hunderte solcher Marken sind da gewesen. Immer erst erkennbar, wenn sie längst überschritten oder passiert waren. Nur wenige dieser Wegmarken habe ich bewusst wahrgenommen, wenn sie vor mir auftauchten. All die anderen verschwanden im Laufe des Lebens, tauchten unter, verschwammen.

Rückblicke auf den Weg? Ja, und er sieht fast immer so unabänderlich, so vorgeprägt aus. Es kam eben so. Es waren die Umstände. Es ging nicht anders. Damals war gar nichts anderes möglich.

Wirklich?

War es nicht so, dass ich die Wegmarken, die Entscheidungsstellen, die Meilensteine, nicht gesehen habe? Oder nicht den Entschluss gefasst habe, die Kurskorrektur vorzunehmen; warum auch immer?

Heute weiß ich es. Achte auf Wegmarken. Betrachte sie wie Meilensteine eines Projektes. Sei mutig genug, eine Kurskorrektur vorzunehmen.

Beispiele für die nachträgliche, dann meist zu späte, Wegemarkenbetrachtung kann man nachlesen in der Erzählung „Das Projekt Leben", oder auch in der Geschichte „Bis zum bitteren Ende" - beide im Menü „Geschichten" zu finden.