Daffy

 

Babsi hatte sich schnell von der Aufregung erholt. Sie tobte jeden Tag auf der Weide, schubste Babybell ganz ordentlich, wenn sie Hunger hatte und ihre Mama nicht schnell genug den Bauch frei machte.

„Wisst ihr was?", fragte an einem trüben Morgen David seine Schwestern.

„Klar, wissen wir was", sagte Annalisa. „Bloß, was du meinst, das wissen wir nicht."

„Wir könnten", sagte David und schaute abwechselnd Antonia und Annalisa an, „wir könnten mit den Rädern zum Bauer Huber fahren und nachschauen, ob die Zirkuswagen noch da sind."

„Oh ja!", rief Antonia. „Aber sofort! Vielleicht sind die Julia und der Carlo noch da. Der Carlo ist bestimmt prima. Vielleicht können wir mit ihm spielen."

„Pah!", sagte David. „Die haben unsere Babsi geklaut. Mit denen spielen wir nicht."

„Nie!", bestätigte Annalisa.

„Ich wohl", sagte Antonia. „War ja ein Arbeiter vom Zirkus und die anderen haben nichts davon gewusst - hat Herr Grünstein gesagt."

„Von mir aus", sagte Annalisa und David sagte „Egal!"

Sie fuhren also los, quer durch das kleine Pletschbachdorf. Schon von weitem konnten sie den Hof des Bauern Huber sehen. Nur ein paar seiner schönen Pferde grasten dicht am Haus.

 „Nichts mehr zu sehen", sagte Annalisa und betrachtete die leere Wiese, auf der jetzt wieder die Kühe grasten.

„Sie sind echt weg!", stellte Antonia fest.

He! Schaut mal!", rief David aufgeregt. „Da hinten, wo der Pletschbach ist, in den wir unsere Fahrräder damals gelegt haben."

„He! Das ist ein Fell", sagte Annalisa. „Ein schwarzweißes Fell. Ob das einer weggeworfen hat?"

„Bestimmt die Leute vom Zirkus. Vielleicht haben die einem Pferd das Fell abgezogen", sagte David.

„Ballaballa! Das macht doch keiner", schnaufte Antonia empört. „Kommt, wir gehen nachschauen."

Sie liefen hin und als sie sahen, was da im Pletschbach lag und sich nicht mehr bewegen konnte, blieben sie erschrocken stehen.

„Hilfe!", rief Antonia. „Ein Pony! Ein richtiges Pony. Das Arme! Es ist eingeklemmt im Matsch und kann nicht mehr raus."

„Das können wir nicht alleine. Ich hole Hilfe!", rief David. „Bleibt ihr hier."

Er sauste los und war schon bald nicht mehr zu sehen. Antonia kletterte in den Pletschbach und sprach mit dem Pony.

„Armes, kleines Pony. Keine Angst, wir helfen dir. Sei ganz ruhig" sagte sie und streichelte den Kopf des Ponys.

Das Pony schnaubte leise und schielte Antonia an. „Mein Bruder, also der David, der fährt so schnell wie die Polizei, echt!", sagte Antonia dem Pony. „Er holte gaaaanz schnell Hilfe."

Wieder schnaufte das Pony aufgeregt und ängstlich.

„Wie heißt du denn?", fragte Antonia.

Das Pony wieherte leise, zwei Mal, und rollte mit den Augen.

„Oh!", sagte Antonia. „Annalisa, das Pony heißt Daffy."

„Spinnst du? Woher weißt du das?"

„Hat es mir gerade gesagt - äh, geschnauft. Daffy! Echt!", sagte Antonia und schnaufte wie das Pony. „Hast du verstanden, was ich geschnauft habe?"

„Oh, Mann!", sagte Annalisa und schnaufte ebenfalls.

Jetzt hörten sie das „Tatütata" und schon bald bog ein Feuerwehrwagen um die Kurve. Feuerwehrmänner sprangen heraus, liefen auf Antonia und Annalisa zu und schauten sich das Unglück an.

„Oh!", sagte der Einsatzleiter. „Das wird schwer. Los, Männer! Riemen, Decken, Seile. Alle Mann anfassen!"

Ruckzuck ging das nun. Die Feuerwehrmänner rannten, warfen sich auf den Boden, schlangen  Seile um das Pony und während der ganzen Zeit sprach Antonia mit dem Pony und beruhigte es. Immer mehr Menschen kamen aus dem Bauernhof gerannt. Sie schauten den Männern zu, riefen dem Pony etwas zu, um ihm Mut zu machen.

„Können wir helfen?", fragte Bauer Huber.

„Klar. Fassen Sie an. Jetzt alle Mann ziehen!", rief der Einsatzleiter.

 Und alle liefen hinzu. Antonia, Annalisa und David zogen an den Seilen, drei Männer aus dem Bauernhaus Huber, und alle Feuerwehrmänner.

„Hau Ruck! Hau Ruck!", riefen die Feuerwehrmänner und Antonia rief ebenfalls: „Hau Ruck! Los Daffy, hilf mit."

„Jetzt!", rief ein Feuerwehrmann. „Los, Pony, streng dich an", rief er und zog und zerrte am Kopf des Ponys.

„Daffy, los, feste drücken!", schrie Antonia. „Du schaffst es, Daffy."

Und wirklich: Daffy kam langsam hoch, stemmte die sehr kräftigen Beine in den Schlamm, wieherte empört über den Dreck und plötzlich war es geschafft. Daffy stand auf seinen vier Beinen. Er war erschöpft und sah müde aus.

„Hurra! Hurra!", rief Antonia. „Daffy, du bist der Beste!"

„He!", schrie ein Feuerwehrmann. „Sag mal: Kennst du das Pony?"

„Nein", sagte Antonia und wurde ganz rot. „Sehe ich zum ersten Mal."

„Aber du hast es mit Namen gerufen. Daffy, hast du es genannt. Hab ich genau gehört. Wenn du es nicht kennst, warum nennst du es dann Daffy?"

„Weil es so heißt; hat es mir selber gesagt. Echt!"

„Was?"

„Ja, als ich es gefunden habe, hat es mir in der Pferdesprache gesagt, dass es Daffy heißt."

„Oh!", sagte der Feuerwehrmann und bekam den Mund nicht mehr zu.

„Was macht ihr jetzt mit Daffy", fragte Annalisa.

„Wir wissen es nicht. Die Leute vom Bauernhof haben gesagt, das wär ein Pony von diesem Zirkus, der hier so lange auf der Wiese gestanden hat. Die sind einfach ohne Pony weggefahren, weil sie kein Geld mehr hatten, um es zu füttern."

„Oh!", sagte nun Antonia und bekam ganz viele Falten auf der Stirn, weil sie so angestrengt nachdenken musste. Dann sagte sie noch einmal „Oh!" und lächelte den Feuerwehrmann an.

„Ich weiß die Lösung. Wenn es niemandem gehört, dann nehme ich es. Meine Babsi wird sich freuen, wenn sie einen Freund bekommt. Können Sie Daffy auf unseren Hof bringen?"

„Antonia!", schrie Annalisa. „Papa wird wütend!"

„Antonia!", schrie David. „Die Mama wird wütend!"

„Ha!", schrie Antonia. „Ich werde gleich wütend und das ist schlimm, fast so schlimm, als wenn der Papa wütend wird."

„Jedenfalls bist du ballaballa", stellte David fest.

„Den armen Daffy, der fast gestorben wäre, können wir doch nicht einfach hier stehen lassen. Ich will ihn haben!"

„Wenn sie ihn unbedingt will", sagte der Feuerwehrmann. „Uns soll es Recht sein. Wir bringen ihn zu euch auf den Hof."

„Genau! Aber schnell. Das arme Pony braucht Futter und muss gewaschen werden", bestimmte Antonia und hatte wieder viele Falten auf der Stirn.

„Oh Mann! Ballaballa!", sagte David. „Ich fahre schon mal schnell vor und warne Papa. Sonst wird der noch ohnmächtig vor Schreck."

Er sprang auf sein Rad und sauste so schnell los, dass man ihn einen Augenblick später schon nicht mehr sah.

 
„Donnerwetter!“, rief Antonias Papa, als sie müde und aufgeregt auf den Hof fuhren.

„Gewitter?“, fragte Antonia und hatte schon wieder viele kleine Falten auf der Stirn.

„Jawohl! Gewitter gibt es gleich auf deinem Hosenboden. Wie kannst du uns nur ein Pony an den Hals hängen?“

„Wieso an den Hals, Papa? Ich hab doch nur gesagt, es soll auf unsere Wiese.“

„Mein kleines Fräulein! Du weißt genau, was ich meine. Wie sollen wir diesen Heufresser wieder loswerden?“

„Gar nicht, Papa“, strahlte Antonia. „Wenn Babsi und Daffy sich vertragen, dann ist es doch gut. Dann ist Babsi nicht so alleine. Und außerdem ist Daffy ein Hengst. Vielleicht kann er dafür sorgen, dass Babsi später mal ein Fohlen kriegt.“

„Neiiiiiin!“, schrie Antonias Vater. Und noch einmal: „Neiiiiiin!“ Und dann sogar: „Du kleiner Teufelsbraten! Verdammt! Was bist du bloß für ein Kind?“

„Papa!“, sagte Antonia vorwurfsvoll. „Wenn das der liebe Gott gehört hat! Und außerdem bin ich die Antonia und kein Braten vom Teufel.“

„Antonia! Kuck mal, da hinten. Auf der Weide“, rief David.

Antonia drehte sich um und dann juchzte sie laut auf. „Siehst du das, Papa? Die beiden sind schon Freunde. Darf Daffy jetzt bleiben? Bitte!“

„Ich gebe auf“, seufzte Antonias Vater. „Aber ich sage dir eins: Du pflegst die beiden ganz alleine. Alles machst du.“

„Ja, gut“, sagte Antonia und dachte daran, wie lange sie jetzt jeden Tag brauchen würde, um den Stall auszumisten, Stroh zu schleppen, Heu in die Box zu bringen, das Fell vom Fohlen Babsi und das Fell vom Pony Daffy zu bürsten und zu säubern.

„Ich helfe dir“, flüsterte David. „Wenn ich ab und zu den Daffy reiten darf.“

Da strahlte Antonia. „Au ja. Immer abwechselnd, bis ich die Babsi reiten kann. Dann darfst du das Pony ganz alleine reiten – und pflegen“, sagte sie.

„Oh, Mann! Ballaballa, was?“, sagte David, aber er musste doch mächtig grinsen.

Fortsetzung folgt