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»Eduard Breimann« DAS FREMDE LAND
Freitag, 18 Januar 2008
Rubrik: Literatur
(Buchbesprechung - Susanne Härpfer)

Ein Ehrenbürger einer rheinischen Kleinstadt wird entlarvt als Vergewaltiger einer Zwangsarbeiterin. Eine hochnotable Firma profitierte einst von den Kriegssklaven.


An´s Licht kommt alles durch eine Schülerprojektarbeit.

Die Besitzer der Regionalzeitung tun alles, um den Skandal doch noch zu vertuschen.

So könnte die storyline für eine Verfilmung des Buches „Das fremde Land" lauten. Denn es ist wie gemacht für ein Drehbuch; es ist eigentlich schon fast ein Drehbuch.

Die plot points sind richtig gesetzt. Das sperrige Thema Zwangsarbeit wird lebendig, springt den Leser an, die Bilder, sie entstehen im Kopf. Rasant erzählt, könnte eine Floskel im Literaturressort lauten. Parallele Handlungsstränge befreien den Leser aus der fernen, bedrückenden Historie, nur um noch beklemmender in der Jetzt-Zeit zu landen.
 
Sie locken den Leser auf falsche Fährten und führen ihn so durch das Buch. Der Leser sieht förmlich die Klasse, wie sie desinteressiert ist am Thema - und fühlt sich möglicherweise ertappt. Denn der Untertitel „Zwangsarbeiterschicksal gestern und heute" klingt nicht gerade verkaufsfördernd.

Eduard Breimann beschreibt das Aufeinandertreffen von der Zwangsarbeiterin Angela und einer gelangweilten deutschen Schulklasse. Dieser clash of cultures, dieses Aufeinanderprallen von der ehrlichen, aufrichtigen Art Angelas gegen SMS-sendenden Mädchen ist so gut beobachtet und beschrieben, das man über die Herzlosigkeit weinen möchte.

Gleichzeitig lockern die Dialoge die Schwere auf.

Der Autor, der selbst im Rheinland lebt, ist ein genauer Beobachter. In seinem Roman erschafft er die unterschiedlichen Welten unserer Realität neu. Treffsicher gibt er die unterschiedlichen Sprachstile dieser „Parallelgesellschaften" wieder.

Nur an einigen Stellen wirkt dieses Mimikry etwas gewollt. Es blitzt die Falle des Stereoptyps auf, die Gefahr des Klischees: die guten, einfachen in Russland einerseits und die mit allen Wassern Gewaschenen, denen es letztendlich materiell besser geht andererseits.

Breimann nimmt den Leser mit auf eine Reise in ein fremdes Land, und nach der Lektüre der 324 Seiten erscheint die deutsche Kleinstadt fremder als die russische Historie.

Immer wieder gibt es überraschende Wendungen; und - ganz nach den Regeln des Drehbuchs -ein „fulminantes Ende".

Wie die russische Puppe in der Puppe ist am Schluß eine Miniatur eingearbeitet über Redaktionen und wirtschaftliche Abhängigkeiten. Zwangsarbeit der anderen Art, gewissermaßen.

Die Schilderung der Infos über die Strippenzieher der Macht, „aus dem Zettelkasten" - das liest sich allerdings weniger nach Journalismus, das klingt mehr nach der „großen" Politik, die ja oft im „Kleinen" gemacht wird, nach einem großen Konzern, nach der Welt der „compliance", nach den Agenten,die am Tisch der Mächtigen sitzen „weil es in unserem Geschäft manchmal noch eine weitere Dimension gibt", wie der Autor seinen Journalisten sagen lässt.

Die Zwangsarbeiterinnen betteln um Wasser. Einige Frauen zwingen sogar die anderen, sich für etwas Wasser an die Wächter „zu verkaufen".

Am Schluß erpresst ein Mitarbeiter seinen Chef, und der Journalist „löst" die Gefahr, die Artikel könnten nicht gedruckt werden, um den Besitzer nicht zu verärgern, im Bett.

Und so machen sie alle ihren Deal.

Und letztendlich bezahlen alle in derselben Währung, mit Körper und Seele. Welch ein Spannungsbogen -  

Eduard Breimann, Das fremde Land - Zwangsarbeiterschicksal gestern und heute, Universal Frame.