China das Gastland auf der Buchmesse! - Eine Ehre?

Das ist eine schwierige Frage. Zunächst sollte sie es – selbstverständlich - für das eingeladene Land sein. Aber ist es das? Nein, das darf man bezweifeln. China, das noch vor kurzer Zeit den ehemaligen unabhängigen Präsidenten des chinesischen PEN-Zentrums, Liu Xiaobo, verhaftete und ohne einen Haftbefehl oder ein Gerichtsverfahren für ein halbes Jahr ins Gefängnis steckte, hat ganz andere Interessen.

Ein Land, das mehr als 100 Autoren verhaften lässt, weil deren Bücher nicht der Parteilinie entsprechen, tickt eben anders als demokratische Länder, in denen Autoren das schreiben, was sie für richtig und vertretbar halten - ob es einer Regierung passt oder nicht.

Das eigentliche Interesse Chinas hat schon die Olympiade aufgezeigt. Es geht um Außenwirkung, um "das Gesicht", das die Welt gefälligst wahrnehmen soll. Und da ist eine so große, eine internationale Buchmesse doch ein passendes Forum. Man wird sich der Welt schon richtig – freundlich, lächelnd, verständnisvoll und offen – präsentieren.

Ist es denn dann eine Ehre für die Einladenden, dass sie dieses mächtige Land als Ehrengast auf der Messe begrüßen können?

Haben sich die Verantwortlichen, der Präsident des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honsfelder, und der Messechef, Jürgen Bodos, geehrt gefühlt, als die Zusage aus China kam?

Das jeweilige Gastland wird in den Medien stets besonders hervorgehoben - fast immer zu Recht. Selbstverständlich finden die Bücher der Autoren aus dem jeweiligen Gastland besondere Beachtung. Schriftsteller, die man bisher nicht kannte, sitzen plötzlich im Scheinwerferlicht der Messeforen und lesen vor einem staunenden und oft unbedacht Beifall klatschenden Publikum.

Und nun, in diesem Jahr, wird China die Ehre haben, als Gastland im Mittelpunkt zu stehen - vor internationalem Publikum, neben Ausstellern aus aller Welt. Na und?, wird mancher sagen. Selbst die Olympiade fand doch in diesem Land statt. Und war es nicht prächtig, was die Verantwortlichen, die Organisatoren auf die Beine gestellt haben? Sicher. Unbestritten.

Und haben nicht auch diktatorisch, kommunistisch gelenkte Ostblockländer diese Ehrung, diesen Ritterschlag des Literaturbetriebes, der Messeleitung und des Börsenvereins in den vergangenen Jahren erhalten? Sicher. Unbestritten. Und doch ist hier alles anders.

In diesem Fall müssten die Beteiligten an der Messe – Verlage und Autoren –intensiver, tiefer und weitsichtiger denken. Aber nein, nichts geschieht. Ist es die Kraft des neureichen Riesenreiches, die es verhindert, dass die sonst so sensiblen Verlage und Autoren kuschen? Denken sie vielleicht an dieses Schlagwort vom "Wandel durch Annäherung? Warum nur ist es so still im sonst so aufmüpfigen Literaturbetrieb? Denkpause? Oder Verblüffung?

Ich glaube eher, dass dieses kommunistisch gelenkte China, in dem andere Meinungen als die offiziellen, unerwünscht sind, manchen hier so gerade in den Kram passt. Was heiß das schon, dass Volksstämme unterdrückt, ihrer Kultur beraubt werden? Na und? Was für ein Gewicht hat es schon, wenn Angehörige von Religionen oder Glaubensrichtungen, die den führenden Funktionären suspekt erscheinen, in China verfolgt, gefoltert und ermordet werden? Na und?

Also höchstens, so ist vernehmbar, ist die eingeschränkte Meinungsfreiheit - das teilblockierte Internet, die Zensur der Zeitungen und der Bücher - ein Problem, über das man sicher auf der Buchmesse reden könnte. Den Autoren, die das Gastland China zur Messe fahren lässt, kann man ja in Diskussionsrunden freimütige Geständnisse abringen und die Diktatur so beschämen. Kann man das wirklich? Nun, die Autoren, die von den Funktionären die Erlaubnis erhalten haben, in Frankfurt, vor internationalem Publikum, zu erscheinen, sind ausschließlich systemtreue Schriftsteller. Ihre Bücher werden ebenfalls linientreu sein. Garantiert.

Was also ist zu tun? Diese Frage hätte ich längst von Verlagen, Autoren und Verbänden erwartet. Da genügt kein Plakat, das vielleicht von Uiguren am Eingang mit oder ohne Duldung durch die Messeleitung gezeigt wird. Die Autoren, alle, die vom freiheitlichen Geist beseelt sind, die wissen, dass nichts mächtiger ist als das geschriebene Wort (weshalb ja Diktatoren es verwünschen und beliebig zensieren), die müssen vor und während der Messe Stellung beziehen. Laut. Vernehmlich. Ohne Katzbuckel. Klar und deutlich anprangernd.

Ich habe zu diesem Thema eine Novelle verfasst, die im Buch "Der Tod hat ein Gesicht" (ISBN 3-9522981-1-5) veröffentlicht wurde. "Was kostet die Wahrheit", heißt sie und beschreibt die Verfolgung der Falun Gong, einer religiösen Bewegung in China, denen das Regime umstürzlerische Absichten unterstellt an Hand des Schicksal eines jungen, naiven Mädchens, das in der Folterkammer der chinesischen Geheimpolizei landet. Ihr fiktives Schicksal spiegelt reale Erlebnisse von "Verdächtigen" wider.

Das – und andere kritische Werke – müsste auf der Messe gelesen werden. Diese Novelle sollte dem Gastland, seinen Funktonären, beim feierlichen Akt der Begrüßung, bei Sekt und Wein, vorgelesen werden. Am besten auf Putonghua, also dem Hochchinesisch und synchron auf Mandarin, der Regierungssprache. Damit keine Irrtümer möglich sind.