Er begann spät, dieser Krieg der Wortarten, aber dafür dann so heftig, dass sich in manchen Deutschstunden das Adjektiv verschämt unter die Pulte der Schüler verkroch.

"Hoch lebe das Verb! Nieder mit dem Adjektiv!" 

Noch im Jahre 1966 war im Grammatikband des „großen Duden" zu lesen:

Unter den sechs Wortarten heben sich deutlich Verb, Substantiv und Adjektiv als die drei Hauptwortarten heraus, weil sie am stärksten dazu beitragen, ‚die Welt in das Eigentum des Geistes umzuschaffen' (Humboldt), und weil sie über eine ausgeprägte Formenwelt verfügen, um den ihnen gestellten Aufgaben im Satz gerecht zu werden.

Sehr schön klang das und da standen nun Substantiv, Verb und Adjektiv gemeinsam auf dem Siegespodest, wo sich die kümmerlichen Restwortarten mit Silber- und Bronzerängen zufrieden geben müssen.

Ich kann mich noch an die gute alte Zeit in der Volksschule erinnern - direkt nach dem Krieg -, als man das Adjektiv noch grundsätzlich „Eigenschaftswort" nannte, was uns Schülern plausibel sagte, was diese Worte sollten: sie gaben den Wesen und Dingen eine Eigenschaft. Und uns eifrig lauschenden Schülern war völlig klar, dass jedes Ding, jeder Gegenstand, jedes Wesen Eigenschaften haben musste.

„Du bist ein fauler Schüler und du wirst als Strafe in schönster Schrift alles von der Tafel abschreiben", sagte der Deutschlehrer.

Das waren noch Zeiten, als sich das Gras bräunlich an den Boden schmiegte, die Rinde der Birken noch schorfig und krustig sein durfte. Da schauten die kessen Jungs noch verstohlen auf die schönen braunen Beine der Mitschülerinnen und fanden die dicken blonden Zöpfe ziemlich doof.

Dann, so in den 70ern, ging es los. Da waren nur noch die Beine zu nennen; ob blass, braun, lang, dick, das alles sollte unwichtig sein. Zöpfe trug ja eh kein Mädchen mehr.

So überschrieb Wolf Schneider in seinem Buch „Deutsch für Kenner" im Jahre 1996 das Kapitel zur Wortart Adjektiv: „Adjektive ohne Eigenschaften".

Darin bezeichnete er Adjektive als „Blähkörper". Und er schlussfolgert: „Daher sollten zwei Drittel aller Adjektive als Füllwörter eingestuft und folglich gestrichen werden."

Recht hat der Kämpfer gegen das Eigenschaftswort, wenn es sich um Tautologien handelt. Wenn etwas schrillt, muss ich es nicht als „lautes Schrillen" beschreiben. Auch sind natürlich „große Riesen", „dicke Taue", „grelle Sonne", „dunkle Ahnungen", "gelbe Zitronen" und die oft zitierten „weißen Schimmel" überflüssig.

Aber, wie so oft im Leben, schlagen - besonders im deutschen Sprachraum - die Sprachpendel immer sehr weit aus - in jede Richtung. Waren wir bei Schiller und Goethe noch begeistert über ihre blumige Sprache, kamen uns dann die Bestseller in der neuen Zeit kalt, straff und Platz sparend daher.

Mach dir selber ein Bild von dem, was da geschrieben steht. Denk dir den Raum kahl, nüchtern oder barock, plusterig gestaltet. Sieh das Mädchen als hübsch oder hässlich; blond oder braun. Was hat es für den Fortgang der Geschichte für eine Bedeutung, wie die Haarfarbe aussieht?", sagte mir ein Gymnasiallehrer.

Hat es natürlich nicht. Aber ich will es wissen! Ich will den Protagonisten als Bild vor mir haben; ich will die stille Straße ahnen. Ich gehe deshalb den anderen Weg, halte es wie Pascal Mercier, der sich nicht scheut, Stimmungen, Räume und Menschen so zu beschreiben, dass während des Lesens ein Bild in meinem Kopf entsteht. Ich bin eingefangen, wenn er im Roman "Nachtzug nach Lissabon" schreibt: "Warum kommt mir die nächtliche Stille zwischen den klösterlichen Gebäuden so matt vor, so flau und öde, so vollständig geistlos und ohne Charm?"

In der Geschichte „Das kleine Mädchen mit den Streichhölzern" beschreibe ich die eisige Neujahrsnacht und das arme Zigeunermädchen, das in der Nacht durch Köln geht: „Sie war ein kleines, sehr dürres Mädchen mit langen schwarzen Haaren, in die zwei gelbe Flatterbänder geflochten waren, mit hellbrauner Haut und großen braunen Augen in einem schmalen Gesicht. Mit der hellroten, dünnen Jacke, die sie schon an kühlen Sommerabenden getragen hatte, dem quittegelben Kleid - das an einen sonnenüberfluteten Strand gehörte - und den nackten Füßen, war sie viel zu leicht bekleidet."

Dieses Mädchen können wir uns vorstellen; haben Mitleid mit ihm, wenn es frierend an der Wand des Kölner Doms hockt.

Ich schlage mich auf die Seite der Adjektive - sinnvoll gebrauchter natürlich - und freue mich darüber, dass unsere schöne Sprache so wunderbare Worte hat, die die Moden aller Zeiten überstanden haben. Sie werden noch da sein, wenn „cool", „geil" und andere Modeworte schon längst matt und kraftlos im Wörtermeer ertrunken sind.