Man(n) oh Man(n)
„Ich denke, also bin ich.“ Oder, wie es René Descartes sagte „ego cogito, ergo sum“. Sollte „man“ meinen. Ach ja, da ist es ja. Wie spricht man es heute? „Man denkt, also ist man“. Tatsächlich kann man das heute in der Presse lesen, im Radio hören oder tatsächlich sogar bei einer Übertragung im Fernsehen.
„Was denkt man, wenn man so ein Tor geschossen hat?“, fragt der Reporter. Der glückliche Schütze holt tief Luft und denkt dabei nach. „Man kann es nicht fassen. Da denkt man, der hält den doch und dann hat man Glück und er rutscht unter dem durch. Man kann es kaum fassen!“
Man kann es wirklich kaum fassen, dass nicht dieser Spieler – Wie hieß er noch? -, sondern ein imaginärer, unbekannter, genannt „man“ es tat.
„Was fühlten Sie, als sie vom Tod des Mannes erfuhren?“
„Man kann es kaum fassen. Erst gestern noch konnte man ihn erleben. Man ist fassungslos!“

Ja, so geht das heute. Wie ein Versuch, sich zum Anonymus zu machen, sich aus jedem denkbaren Konflikt raus zu halten. Offensichtlich schon gar nicht mehr bewusste, wechselt der Sprecher vom „Ich“ zum „Man“.
„Ich denke, also bin ich.“ Ja, so einfach könnte es sein, meine ich. Aber es ist wohl viel komplexer und problematischer. Ganz offensichtlich, so mein Eindruck, will der Sprecher nicht den Eindruck erwecken, dass er, nur er, dieser geäußerten Meinung ist. „Man“ ist der selben Meinung wie er; also erkennt das mal!
Es gibt einen weiteren guten Grund für einen solchen Personenumschwung, haben Wissenschaftler herausgefunden. Im Science-Magazin der American Association for the Advancement of Science schrieb das Trio, dass wir vom „ich“ zum „man“ beziehungsweise im Englischen vom „I“ zum „you“ wechseln, um persönliche Erlebnisse aus der Distanz besser betrachten zu können.
„Wenn Menschen, „man“ benutzen, um eine Bedeutung aus einer negativen Erfahrung zu gewinnen, dann erlaubt es ihnen, die Erfahrung zu normalisieren und sie aus der Distanz zu reflektieren“, sagte Ariana Orvell, Doktorandin und Co-Autorin der Studie. Gleichzeitig ordnen wir mithilfe des „mans“ unser Schicksal in einen universellen Kontext ein und vergewissern uns darüber, dass auch andere die gleiche negative Erfahrung gemacht haben können. Das „man“ macht unsere Negativgeschichten dadurch für uns selbst erträglicher.
Zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler nach mehreren schriftlichen Versuchen mit circa 600 Teilnehmern. Bei einem Experiment sollten die Probanden beispielsweise in zwei Gruppen von einem negativen und einem neutralen Erlebnis berichten. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Teilnehmer in den Negativgeschichten eher dazu tendierten, vom allgemeinen „man“ zu sprechen.
Also: Wir wissen es nun und wir bekennen uns zu unserer Meinung. Ab sofort! Man kann doch nicht ständig … Sorry! Ich kann doch nicht ständig so tun, als wäre ich zu feige für eine eigene Meinung. Da wär man doch blöde, wenn man …