„Hör zu, Jürgen! Das machst du nicht mit mir! Stell dich nicht an und komm mit!“

„Du begreifst nicht, oder? Ich bin krank! Interessiert dich das nicht oder tust du nur so?“

„Pass auf, mein Freund! Ich will dir mal was klar machen. Wir haben nur diese Chance – nur diese eine! Verstehst du? Und wenn wir die versauen, nein, wenn du die versaust – dann stehen wir auf der Straße. Und zwar nackt und ohne Schuhe! Ich hab nicht seit einem halben Jahr wie ein Wahnsinniger malocht, um mir kurz vor dem Ziel von einem Simulanten, einem Hypochonder unseren sicheren Gewinn kaputt machen zu lassen.“

“Sag das nochmal! Was bin ich?“

„Entschuldige. Ich mein das nicht so, verdammt, aber es geht um zu viel; begreif das doch. Ich lass das nicht zu, verstehst du? Es geht um sehr viel Geld, das weißt du – um eine ganze Menge. Und um eine Vertragsstrafe, die sich gewaschen hat. – Mach nicht alles kaputt, Jürgen.“

Jürgen blickte seinen Freund und Geschäftspartner an. Ihm war, als sehe er ihn zum ersten Mal. Frank atmete schwer; seine Beine wippten nervös. Der Schweiß perlte von der breiten, rot angelaufenen Stirn. Der Besucherstuhl knarrte unter dem Gewicht, das er wohl nicht täglich zu tragen hatte.

Er beugte sich, stieß den rot angelaufenen Kopf kampfeslustig nach vorne, als wolle er seinen Freund einschüchtern. Der zog den Kopf ein, schob sich tiefer unter die Bettdecke, als suche er Schutz vor dem Angreifer.

„Frank“, sagte er leise. „Wir sind doch Freunde, Mensch.“

„Freunde! Freunde! Du bist kerngesund; schau dich doch an. Sieht so ein todkranker Mann aus? He? Sportliche Figur, joggt fast jeden Tag, trinkt nicht, raucht nicht, hat keine Weibergeschichten. Wieso soll deine Pumpe kaputt sein?“

„Frank! Ich versteh dich ja, aber ich simuliere nicht. Ich habe Herzschmerzen. Hier“, sagte er und zeigte auf seine Brust. „Ich … Ich hatte einen kleinen Infarkt. Wirklich! Mein Puls rast und ich schlafe keine Nacht mehr. Unser Projekt schießt mir durch den Schädel; ich hab das Gefühl, ich kann nie mehr abschalten. Hast du schon mal den Begriff burn-out gehört?“

„Sicher. Was soll der Quatsch? Jürgen, du bist nicht ausgebrannt. Du doch nicht. Das bildest du dir ein. Oder redet dir das dieser bescheuerte Quacksalber ein, der mich noch nicht mal zu dir lassen wollte? Du bist der beste Informatiker der Welt. Du hast neunzig Prozent des Systems fertig; die restlichen läppischen Befehle schaffst du mit links – ehrlich.“

„Nichts ist mit läppischen Befehlen und mit Links schon gar nicht. Der Arzt hat mir sehr deutlich gemacht, um was es geht. Es ist mein Leben, hat er gesagt. Verdammt, Frank, und davon hab ich nur eins.“

Frank wuchtete sich stöhnend hoch und der Stuhl gab ein Geräusch von sich, das sehr nach Erleichterung klang.

„Pass auf, Jürgen! Ich muss gleich ...“, er schaute auf die Armbanduhr, „in genau zwanzig Minuten bei unserem Auftraggeber antanzen. Du kennst die Gangster. Börner! Wenn der hört, dass du ausfällst, dass wir den Termin nicht halten können, schmeißt er mich raus – sofort.“

„Du musst Ersatz suchen, Frank. Wir hatten doch vor einiger Zeit einen jungen Mann bei uns – wie hieß der noch? Richtig, - Hensel! Der hat bei uns sein Praktikum gemacht; der ist bestimmt inzwischen fertig. Der hat mir damals geholfen und kennt Teile des Systems. Frag ihn!“

„Einen Scheiß werde ich tun! Entweder du stehst jetzt auf, ziehst dich an und kommst mit, oder ich sag beim Börner die Kiste ab. Endgültig! Überleg´s dir.“

Jürgen blickte seinen Freund und Partner an. Er verstand alles, begriff die Lage und auch Franks Angst. – Und doch schien ihm das alles so unwichtig, dass er fast an seinem Verstand zweifelte. Seitdem der Arzt ihm das Untersuchungsergebnis genannt hatte, seitdem er die Konsequenzen kannte, die ihm drohten, wenn er nicht radikal stoppte, hatten sich die Gewichte so drastisch verschoben, dass er nur noch staunen konnte.

Frank, dieser bullige Mann, der ihn um einen Kopf überragte, der mit Härte und Gerissenheit die kaufmännischen Belange ihres Start-up-Unternehmens bearbeitete, der nicht mal wusste, wie man eine Homepage programmierte, stand reglos vor ihm.

„Hilflos, wie ein Baby“, dachte Jürgen und fühlte wachsendes Mitleid.

Sie kannten sich seit acht Jahren, hatten beide in der gleichen Computerfirma gearbeitet und bei einem Betriebsfest fast übereinstimmend die Idee gehabt, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Sie waren in dieser Zeit Partner und Freunde geworden; sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten – blind.

„Du baust die Programme, und ich verkauf sie. Oder anders: Ich besorge uns die Auftraggeber, also das Geld, und du machst sie mit deinen Programmen glücklich und zufrieden“, hatte er lachend gesagt. „Ich sorge fürs Geld; wir können dabei reich werden. Und glaub nicht, dass das Verkaufen ein Kinderspiel ist.“

Sie hatten am Anfang wirklich nicht gewusst, ob sie es wirklich so durchziehen würden oder ob das Gespräch nur ein typisches Bierabendgeschwätz gewesen war. Aber in den nächsten Wochen war alles in die Bahnen gekommen, hatte sich verselbstständigt; erst spät hatten sie begriffen, dass sie es beide wohl gleich ernst gemeint hatten.

Frank hatte wie wild akquiriert, Kunden gesucht; er hatte sich umgehört und nach einer Woche hatte er den ersten Auftraggeber „fest an der Angel“, wie er freudestrahlend verkündete.

Sie kündigten, und während der Kündigungsfrist arbeitete er jede Nacht, schlief nur noch zwei oder drei Stunden. Das erste Geschäft wurde ein Bombenerfolg. Als er die Installation abgeschlossen hatte, brachte Frank schon den nächsten Kunden. So war es gelaufen, seit dieser Zeit. Es gab keine Freizeit mehr, keine Erholung, kein Vergnügen. Seine Freundin war frustriert ausgezogen.

„Heirate doch deine Scheißprogramme. Kannst dich ja mit dem Bildschirm ins Bett legen“, hatte sie verkündet und war verschwunden.

Er hatte keine Kneipenabende mehr erlebt, den Sport hatte er, bis auf das bisschen Joggen, völlig aufgegeben.

 

Wie ein Geschenk des Himmels erschien ihnen zu Anfang der Großauftrag des Unternehmens für Messgeräte. Aber der hatte es in sich, wie er schnell kapierte – schneller jedenfalls als Frank.

Es gab einen knallharten Vertrag, der ihm von Beginn an Kopfschmerzen machte. Es waren deren Schätzzahlen für die Projektdauer, nicht seine.

„Entweder oder“, hatte der Einkäufer ihnen gesagt und Frank hatte den Vertrag bedenkenlos unterschrieben.

„Du bist irre! Nie ist das zu schaffen – nie! Und diese Pönale: Warum unterschreibst du so einen Scheiß, Frank?“

„Die Jungs haben selber Druck. Das muss klappen! Und es wird klappen! Du wirst es schaffen; hörst du? Ich kenn doch meinen Jürgen“, hatte Frank gesagt und ihm so heftig auf die schmalen Schultern geklopft, dass er in seinem Sessel versackt war.

Er begann sofort, schuftete täglich bis zu vierzehn Stunden, kannte keine Wochenenden und keine Feiertage mehr. Das System musste pünktlich fertig werden.

Irgendwann begann das mit den schlaflosen Nächten. Er probierte alles aus, aber es klappte nicht. Morgens stieg er benebelt - mit einem eisernen Reifen um die Stirn - aus dem Bett, schlich sich zur Kaffeemaschine und machte das Gesöff doppelt so stark wie sonst.

Er trank alle Stunde ein bis zwei Tassen Kaffee, um wach zu bleiben. Das System machte deutlich langsamere Fortschritte. Immer wieder musste er neu ansetzten, weil er sich vergaloppiert, falsche Lösungswege gewählt hatte.

„Ich schaff’s nicht, Frank. Die Kiste ist zu mächtig. Ich hab so ein Gefühl, als wenn sich alles in diesem bekloppten Computer gegen mich verschworen hat.“

„Zeig’s ihm! Du bist der Chef, nicht diese blöde Kiste. Gib ihm die Sporen, Jürgen“, hatte Frank geantwortet. Er machte sich keinen Kopf aus seinem Gejammer.

Vorgestern, Frank war in Frankfurt, um einen neuen Kunden zu angeln, war ihm schwarz vor den Augen geworden. Als er wieder klar denken konnte, lag er auf dem Boden, neben dem Schreibtisch. Am Abend war er zu seinem Hausarzt gegangen, der ihn sofort, fast mit Gewalt, ins Krankenhaus überwiesen hatte.

Die Untersuchungsergebnisse waren alles andere als ermutigend gewesen, die Diagnose hatte ihn hart getroffen.

„Wenn Sie nicht sofort ihr Leben ändern, werden Sie sich die Kartoffeln von unten besehen – und zwar ganz schnell. Ihr Herz hat riesige Probleme, mein Lieber. Haben sie nie vorher solche Anfälle gehabt? Das war ein Infarkt, ein kleiner, verschwindend kleiner, aber der nächste wird Sie endgültig von den Füßen fegen.“

 

Trotzdem! Er sah die im Gesicht von Frank, seine nervösen Bewegungen erschienen ihm so hilflos, so voller Panik, dass er schwankend wurde. So hilflos, so ängstlich war Frank noch nie gewesen. Jürgens Vorsätze und Schwüre - „bei allem, was mir heilig ist“ - gerieten ins Schwanken.

„Verdammt, ich kann nie nein sagen“, dachte er und fühlte sich hin und her gezogen.

„Ich mach dir einen Vorschlag, Frank“, sagte er schließlich und fühlte ein leichtes Ziehen in der Brust. „Pass auf! Du gehst zum Börner und sagst ihm, alles wäre im Plan. Es gäbe kein Problem, das ihn interessieren müsste. Beruhige ihn und wenn er den Prototyp sehen will, sag ihm einfach, das sei bei uns nicht üblich - es koste nur Zeit – und sein Geld.“

„Und was bringt uns das?“

„Warte! Ich spreche gleich mit meinem Arzt. Ich schildere ihm unser Problem, und dass es mich kränker macht, wenn die Firma platzt. Wenn er es nicht versteht, steige ich auf eigene Verantwortung aus dem Bett. Ich lass dich nicht hängen, Frank.“

„Danke, Jürgen. Du bist ein echter Kumpel. Aber tu´s nicht, wenn der Arzt zu große Bedenken hat.“

Jürgen sah die Lüge in Franks Augen und schüttelte den Kopf. „Du weißt, wie gerne ich arbeite. Von mir aus rund um die Uhr; da hab ich kein Problem mit. Es macht mir Spaß und hält mich fit.“

Er konnte seinen Partner dabei nicht ansehen.

 

Das Gespräch mit dem Arzt verlief genau so, wie er es befürchtet hatte. Er sah, wie sich bei der aufgeregten Schilderung ihrer Lage die Falten immer tiefer in die Stirn des Mannes in Weiß gruben.

„Auf keinen Fall! Vergessen Sie das. Sie sind sehr krank und ich kann Sie nicht entlassen“, sagte er zornig und ging einfach raus.

Am Nachmittag zog Jürgen sich an, schrieb dem Arzt einen kurzen Brief, in dem er noch einmal seine Gründe darlegte und ging, ohne dass ihn jemand aufhielt.

 

Er atmete tief durch, als er endlich an seinem Schreibtisch saß; das Gefühl war berauschend. Sein PC brummte sanft und das bläuliche Licht des Monitors erhellte den abgedunkelten Raum. Er fand sich schnell wieder rein, setzte punktgenau da auf, wo er aufgehört hatte, als er den Infarkt bekam.

Er hatte sofort dieses angenehme Gefühl, das er fast als erotisch empfand, wenn er sich in die Strukturen stürzte, die nur er verstand. Er tauchte weg, steckte mit seinem ganzen Geist in der Syntax, fegte durch die Logikstrukturen – und nur sein Körper hockte da auf dem schwarzen Sessel, hielt es aus und war nur noch Nebensache.

Spät in der Nacht, als draußen alle Geräusche erstorben waren, tauchte er aus den Tiefen der Befehlsstrukturen auf, fand seinen schmerzenden Körper wieder und stellte fest, dass er es nicht mehr lange so weiter treiben durfte. Er horchte auf sein Herz, legte die Hand auf die Brust. Der ruhige Herzschlag irritierte ihn.

Er schloss ab, ging durch die laue Dunkelheit die wenigen hundert Meter zu seiner Wohnung. Er schlief, aber sehr unruhig; ein Alptraum ließ ihn aus großer Höhe abstürzen, der Erde entgegen fallen. Mit einem Schrei aus trockenem Mund wachte er auf. Den Schlafanzug hing er zum Trocknen auf den Balkon.

Er trank keinen Kaffee, verzichtete aufs Brötchen mit fetter Wurst. Wenigstens die vom Arzt festgelegten Essensvorschriften wollte er einhalten. Also trank er warme Milch, aß mit bitterer Miene einen Jogurt und eine Banane.

Um sieben Uhr saß er im Büro und fühlte sich überraschend frisch. Als Frank ins Büro kam, erschrak Jürgen. Er sah blass aus, die Haut wirkte großporig grau, und seine Augen zwinkerten müde.

„Mensch, Jürgen! Seit wann bist du hier?“, rief er mit theatralisch angehobener Stimme. „Ich hab die ganze Nacht kein Auge zugemacht; ich glaubte dich im Krankenhaus.“

„Ich hab schon gestern etliche Stunden, bis nach Mitternacht, gearbeitet. Wir schaffen es. Ich bin im Endspurt, mein Lieber. Die Lösung des Strukturproblems fiel mir ein, als ich vor der Kiste saß.“

Frank ließ sich ächzend in den Sessel fallen, streckte die Beine weit weg. So blieb er lange liegen, betrachtete seinen Freund, der schon wieder abgetaucht war in Gefilde, die ihm immer ein Rätsel bleiben würden.

„Ich mach uns einen Kaffee“, sagte er und stand auf.

„Nein, nein! Lass sein. Kein Kaffee mehr. Sonst überleb ich das nicht. Es geht auch ohne.“

„Gut, Jürgen. Alleine trink ich auch keinen. Jedenfalls bin ich froh, dass es klappt. Weißt du was? – Ich lebe wieder auf. Oh, mein Gott, was ist das gut. Ich werde mich jetzt auf den Weg machen; du weißt, es geht um diesen Dillinger. Ein Auftrag mit vielen Komponenten, der uns drei Jahre über Wasser halten könnte – wenn wir ihn kriegen – und du nicht schlapp machst.“

Jürgen war schon längst weggetaucht, nur sein Körper zuckte unruhig, wenn ein Hindernis weggearbeitet werden musste. Frank fasste ihn an der Schulter. „Hast du gehört, Jürgen? Ich bin bei Dillingers.“

„Ja gut. Ich werde heute noch fertig. Es ist fantastisch. Warum hab ich den Weg nicht gleich gesehen? Es ist einfach super. Man braucht nur mal etwas Abstand. Ein Kinderspiel! Was war ich vernagelt! Wenn ich fertig bin, leg ich die Klamotten – Andruck, Handbuch und fertig gebrannte CD - auf den Tisch. Danach schlafe ich zwei Tage lang aus. Du bringst alles zum Börner, ok?“

„Mach das, mein Freund“, sagte Frank mit weicher Stimme und ging langsam raus.

Sein Gesicht hatte die alte, rote Farbe wieder und sein Gang wirkte elastisch.

„Ein Wunder, bei dem massigen Körper“, dachte Jürgen, der Frank nachsah, bis er seine Kontur durch die Milchglastür nicht mehr sehen konnte.

Er schrieb, testete, druckte und speicherte. Der Raum um ihn war still, nur das Brummen der Rechner war zu hören. Er unterbrach seine Arbeit nicht einmal, um zu essen. Er hatte es eilig; jetzt, als die grundsätzlichen Schritte fertig waren, kam ihm alles andere nur noch wie eine lästige Pflicht vor. Die fertige Arbeit packte er auf Franks Schreibtisch.

Als er ging, war es noch hell. Tief saugte er die frische Luft ein. Ihm war, als sei er nach ewiger Zeit aus unendlichen Tiefen wieder ans Tageslicht getreten. Und er machte, was er versprochen hatte. Gut, er schlief keine zwei Tage am Stück, aber er pendelte zwischen Bett und Bad, holte sich Kleinigkeiten aus der Küche und fühlte sich federleicht. Alles würde gut werden; er würde ab jetzt keinen Termindruck mehr akzeptieren – höchstens im Ausnahmefall. Und Kaffee schon gar nicht.

 

Es war Mittag, als er zum Büro kam. Die Tür war aufgeschlossen, Licht brannte und das Telefon klingelte pausenlos. Frank war nicht zu sehen. Die Luft im abgedunkelten Raum war stickig und schwer. Er zog die Rollos hoch, kippte die Fenster auf und nahm den Hörer ab. Es war Dillinger.

„Warum ist Ihr Partner nicht zum 9-Uhr-Termin erschienen? Lassen Sie sich bloß eine gute Entschuldigung einfallen.“

„Was? Er ist nicht … Keine Ahnung, was das heißt. Hier ist er jedenfalls nicht. – Aber Moment mal! Sein Kalender liegt auf seinem Schreibtisch, bestimmt ist er nicht weit weg. Warten Sie. Ich schau mal nach, ob da was zu erkennen ist.“

Er legte den Hörer auf die Tischplatte und ging rüber zum Schreibtisch von Frank. Der wirkte unaufgeräumt wie immer, an einer Ecke stand ein großer Kasten mit Unterlagen, die noch abgelegt werden mussten.

Der Kalender war aufgeschlagen; auf dem aktuellen Datum stand der Termin mit Dillinger – dick und rot unterstrichen. Am Rand hatte er in seiner wuchtigen Schrift „Über den Tisch ziehen!“ geschrieben.

„Nein, nur Ihr Termin. Ich weiß wirklich nicht, wo er steckt, bin auch gerade erst ins Büro gekommen. Ich war auswärts. – Ich rufe Sie an, wenn ich was Genaues weiß.“

 

Er schloss seinen Schreibtisch auf, startete den PC und blätterte in seinem Kalender. Seine Gedanken liefen weg und immer wieder überlegte er, wo Frank stecken mochte.

Richtige Sorgen machte er sich aber erst, als er im Kleiderschrank das Jackett von Frank fand. Da wuchs seine Sorge so schnell, so stark, dass ihm schwindelig wurde. Er dachte krampfhaft alle Möglichkeiten durch, während er zur Toilette ging. Als er die Tür öffnete, blieb ihm das Herz für einen Moment stehen. Er sackte in die Knie, sah nur noch grauen Nebel und musste sich mit beiden Händen auf den kalten Fliesen abstützen.

„Verdammt, ich liege im Klodreck! Muss mich gleich waschen“, dachte er.

Als er wieder sehen konnte, starrte er in die weit aufgerissenen Augen von Frank.

Sein Freund lag, mit offener Hose, wirr heraus hängendem Hemd, völlig verdreht auf dem Boden. Seine Hände waren verkrampft und der Mund stand weit offen.

Er hockte sich ganz dicht neben ihn, fasste seine rechte Hand. Sie war steif und kalt. Lange saß er da. Und dann überfiel ich eine Wut, wie er sie noch nie verspürt hatte.

„Du Sauhund, du! Frank, du blöder Hund! Einer von uns sollte es wohl sein, was? Was hast du dir dabei gedacht?“, schrie er und als das Schluchzen seine Stimme abwürgte, legte er den Kopf auf Franks Brust und weinte.