‚Er winkt! — Wirklich. So ein Heuchler! – Brich dir den Hals, du Ungeheuer. Fahr vor den nächsten Baum. – Ach Gott, was denke ich da für einen Mist!’
Sie wedelt mit der Rechten – merklich verzögert – und nur mit halb erhobener Hand, dreht sich abrupt weg, wartet nicht, bis er das Auto rückwärts zur Straße gefahren hat. Seit fast zwanzig Jahren immer die selbe Prozedur, unbedachte Routine.
Die Beine fühlen sich so geschwollen an, der Rücken schmerzt und die Kopfschmerzen geben ihr den Rest.
„Alles nur seinetwegen. Ich leide! Und nur wegen dem Saukerl“, sagt sie dem Kaktus auf der Fensterbank und weiß, dass es eigentlich nicht stimmt; die Arbeit im Garten, gestern, die hat sie so geschafft.
„Bin halt nicht mehr die Jüngste“, sagt sie, seufzt, streicht mit dem Handrücken die Haare aus dem Gesicht und geht ins Bad.
Sie schiebt das Gesicht dicht an den Spiegel und stöhnt auf; der Strahlenkranz an den Augen ist ausgeprägter als gestern. Sie drückt die Fingerspitzen auf die Wangen, zieht die Haut straff, schiebt die Haare erneut aus der Stirn, drückt Querfalten hinein, glättet sie, spitzt den Mund und macht ihre grauen Augen groß.
‚Mist! Ich zerfalle! Falten! Wo ich auch hin gucke, Falten – und Poren groß wie Stecknadelköpfe. Wenn ich diese Modepüppchen im Fernsehen betrachte, meine Güte. Ob die alle geliftet sind? — Die sind alle geliftet! Und auf so was fallen die Kerle rein!’
Sie bleckt die Zähne, zieht die Nase kraus und schaut ihr Abbild streng an. ‚Müde siehste aus, Hannelore. Sehr müde. Eine Kur, ein Urlaub, vielleicht … Wenigstens ein verlängertes Wochenende. Verwöhnen lassen. Im Bett und überhaupt. Ach Schiet!’
Sie wirft eine Hand voll kaltes Wasser ins Gesicht, rubbelt sich mit dem Handtuch rote Flecken hinein. Und dann lächelt sie. Heike fällt ihr ein, ihre wirklich allerallerbeste Freundin, die neidisch ausschaut, wenn die Sprache auf Werner kommt.
‚Wie die den Werner angehimmelt hat, beim letzten Silvesterball. Wollte ständig mit ihm tanzen. Ach Gottchen, Heike, du armes Mauerblümchen!’, denkt sie und ist nicht mehr ganz so unglücklich.
„Den haste dir bestimmt basteln lassen, deinen Werner“, hat Heike mit saurem Lächeln gesagt; das war morgens um eins.
Werner und sie hatten sehr eng getanzt und um Mitternacht, als alle die Böllerei beguckten, hatte er ihr eine Perlenkette umgehängt. „Damit du weißt, wie viel du mir wert bist, liebe Hanni“, hatte er ihr nach einem langen Kuss ins Ohr gehaucht.
‚Hanni, Hanni, das sagte er immer, wenn er mich rumkriegen wollte – ins Bett und so. Ziemlich oft hat er früher Hanni gesagt, meistens zwei Mal in der Woche’, denkt sie und schlägt mit der flachen Hand auf das Gesicht im Spiegel.
„Sei ehrlich, Hannelore! Das war mal. Früher!“, sagt sie laut zu ihrem Spiegelbild. „Früher, ja. Ist lange her, was? Ein Mal im Monat? — Mach dir nix vor, Hannelore! Seltener, viel seltener. Das passt! Das passt haargenau!“
Sie geht zurück an den Frühstückstisch und hockt sich auf die Stuhlkante. Der Kaffee in ihrer Bürotasse ist kalt. Sie verzieht das Gesicht und ist wieder unglücklich. Sehr unglücklich sogar. Sie beschließt, das zu nehmen, was Werner abfällig ‚kleine Depression’ nennt; dabei betont er ‚kleine’ immer so, dass sie ganz matt werden kann. Er meint diesen Zustand, in dem sie so traurig ist und aus dem sie sich so gerne von ihm herausholen lässt.
„So eine Depression ist am schönsten, wenn sie der richtige Mann einfach wegzaubert“, hat sie kürzlich zu Heike gesagt, deren Carlos ein echter Grobian ist.
„Du bist eine Hypochonderin – oder wie das heißt. Jedenfalls hast du nie und nimmer eine Depression; du nutzt deinen Werner nur aus“, hat Heike schnippisch geantwortet – aus purem Neid.
„Du bist ja nur missgünstig. Wenn du meinen Werner hättest … Dein Carlos, dieser Holzhacker, der hat da wohl weniger Geschick drin – oder?“
„Pah“, hat Heike geantwortet. „Ich krieg erst gar keine – Depression, meine ich. Und übrigens: Carlos ist ein Schatz. Bei uns gibt’s für so was keinen Grund. Depressionen! Ich glaub’s einfach nicht! Jedenfalls muss ich mir keine Sorge machen, dass der Carlos … Ach, ich sag lieber nichts.“
‚Was hat sie gemeint? War das eine Andeutung? Was weiß sie, was ich nicht weiß? Mist! Ich wusste bis gestern echt nicht, was eine Depression ist’, denkt sie. Aber seit gestern ist ja alles anders.

Als das schnurlose Telefon, das während der Gartenarbeit immer auf dem Tisch im Garten liegt, klingelte, dachte sie natürlich, es wäre Werner. Sie drückte das Telefon an die verschwitzte Schläfe, blies sich neckisch die Haarsträhnen aus der Stirn und ließ sich in den Gartenstuhl fallen.
„Werner! Kommst du früher? Ich bin gleich mit dem Pflanzen fertig. Du müsstest mich sehen! Ich seh’ aus! Bin völlig derangiert. Ich geh gleich duschen. Möchtest du …? Wenn du dich beeilst …“
„Frau Bungert?“ Das war nicht seine Stimme! Das war nicht Werner!
„Oh – entschuldigen Sie. Ist mir das peinlich! Ich dachte …“
„Hören Sie! Er konnte es gar nicht sein. Hat Besseres zu tun. Ihr Werner hat eine andere, wissen Sie das nicht?“
„Wie? Was soll das? Wer sind Sie? Wer …? — Wen meinen Sie?“
„Ihren Werner, liebe Frau Bungert. Ihren heiß geliebten Werner, mit dem sie so gerne duschen möchten. Ha! Ha! Hat gerade eine heiße Begegnung mit ihr, mit seiner Geliebten; vielleicht duschen die ja auch. Ha! Ha! Ist ja auch ein ganzes Stück jünger, diese …“
Sie drückte den roten Knopf, lehnte sich zurück und sah nur noch Nebel. Ewig hockte sie da. Ganz steif war sie schließlich, so lange saß sie völlig verkrampft. Kein klarer Gedanke im Kopf; keine Kraft in den Beinen, um aufzustehen.
Dann, nach einer ewigen Zeit, drückte sie die Kurzwahltaste für das Büro ihres Mannes. Sie wusste nicht, was sie ihn fragen würde; es war ihr auch völlig egal.
„Nein, Ihr Mann ist nicht im Büro, Frau Bungert. Er hat einen auswärtigen Termin — kann länger dauern, hat er gesagt. Kann ich was ausrichten? Ist es dringend?“
„Hat er sein Handy …?“
„Das Handy? – Ach, du meine Güte! Das tut mir Leid. Das hat er vergessen, das liegt hier.“
Nur ganz langsam bewegte sie sich, musste jede Bewegung einzeln anfordern. Sie erwischte sich dabei, dass sie halblaut sprach, wie häufiger in der letzten Zeit.
„Das ist das Alter. Du wirst senil“, hatte Werner letzte Woche gesagt und …
‚Genau! Fies gegrinst hat der dabei. Überheblich gegrinst, hat der Arsch! Dabei ist der kaum jünger als ich’, dachte sie und sah sein Gesicht vor sich. ‚Kann das denn sein? Ach, Quatsch, Hannelore. Wie oft ist Werner auswärts unterwegs. Aber da könnte er … Verdammt! Was weiß ich denn?’
Sie fühlte sich alt, schlapp und dreckig. Nach dem Duschen war’s etwas besser geworden und sie rief noch einmal an.
„Nein, er ist leider noch nicht zurück; tut mir schrecklich Leid, Frau Bungert.“
‚Diese falsche Ziege!’, dachte sie. ‚Die deckt den doch; die weiß doch sonst immer alles.’ Dann kam die Vernunft zurück. Bei einer Tasse Tee durchdachte sie alles noch einmal.
‚Er winkt! — Wirklich. So ein Heuchler! – Brich dir den Hals, du Ungeheuer. Fahr vor den nächsten Baum. – Ach Gott, was denke ich da für einen Mist!’
Sie wedelt mit der Rechten – merklich verzögert – und nur mit halb erhobener Hand, dreht sich abrupt weg, wartet nicht, bis er das Auto rückwärts zur Straße gefahren hat. Seit fast zwanzig Jahren immer die selbe Prozedur, unbedachte Routine.
Die Beine fühlen sich so geschwollen an, der Rücken schmerzt und die Kopfschmerzen geben ihr den Rest.
„Alles nur seinetwegen. Ich leide! Und nur wegen dem Saukerl“, sagt sie dem Kaktus auf der Fensterbank und weiß, dass es eigentlich nicht stimmt; die Arbeit im Garten, gestern, die hat sie so geschafft.
„Bin halt nicht mehr die Jüngste“, sagt sie, seufzt, streicht mit dem Handrücken die Haare aus dem Gesicht und geht ins Bad.
Sie schiebt das Gesicht dicht an den Spiegel und stöhnt auf; der Strahlenkranz an den Augen ist ausgeprägter als gestern. Sie drückt die Fingerspitzen auf die Wangen, zieht die Haut straff, schiebt die Haare erneut aus der Stirn, drückt Querfalten hinein, glättet sie, spitzt den Mund und macht ihre grauen Augen groß.
‚Mist! Ich zerfalle! Falten! Wo ich auch hin gucke, Falten – und Poren groß wie Stecknadelköpfe. Wenn ich diese Modepüppchen im Fernsehen betrachte, meine Güte. Ob die alle geliftet sind? — Die sind alle geliftet! Und auf so was fallen die Kerle rein!’
Sie bleckt die Zähne, zieht die Nase kraus und schaut ihr Abbild streng an. ‚Müde siehste aus, Hannelore. Sehr müde. Eine Kur, ein Urlaub, vielleicht … Wenigstens ein verlängertes Wochenende. Verwöhnen lassen. Im Bett und überhaupt. Ach Schiet!’
Sie wirft eine Hand voll kaltes Wasser ins Gesicht, rubbelt sich mit dem Handtuch rote Flecken hinein. Und dann lächelt sie. Heike fällt ihr ein, ihre wirklich allerallerbeste Freundin, die neidisch ausschaut, wenn die Sprache auf Werner kommt.
‚Wie die den Werner angehimmelt hat, beim letzten Silvesterball. Wollte ständig mit ihm tanzen. Ach Gottchen, Heike, du armes Mauerblümchen!’, denkt sie und ist nicht mehr ganz so unglücklich.
„Den haste dir bestimmt basteln lassen, deinen Werner“, hat Heike mit saurem Lächeln gesagt; das war morgens um eins.
Werner und sie hatten sehr eng getanzt und um Mitternacht, als alle die Böllerei beguckten, hatte er ihr eine Perlenkette umgehängt. „Damit du weißt, wie viel du mir wert bist, liebe Hanni“, hatte er ihr nach einem langen Kuss ins Ohr gehaucht.
‚Hanni, Hanni, das sagte er immer, wenn er mich rumkriegen wollte – ins Bett und so. Ziemlich oft hat er früher Hanni gesagt, meistens zwei Mal in der Woche’, denkt sie und schlägt mit der flachen Hand auf das Gesicht im Spiegel.
„Sei ehrlich, Hannelore! Das war mal. Früher!“, sagt sie laut zu ihrem Spiegelbild. „Früher, ja. Ist lange her, was? Ein Mal im Monat? — Mach dir nix vor, Hannelore! Seltener, viel seltener. Das passt! Das passt haargenau!“
Sie geht zurück an den Frühstückstisch und hockt sich auf die Stuhlkante. Der Kaffee in ihrer Bürotasse ist kalt. Sie verzieht das Gesicht und ist wieder unglücklich. Sehr unglücklich sogar. Sie beschließt, das zu nehmen, was Werner abfällig ‚kleine Depression’ nennt; dabei betont er ‚kleine’ immer so, dass sie ganz matt werden kann. Er meint diesen Zustand, in dem sie so traurig ist und aus dem sie sich so gerne von ihm herausholen lässt.
„So eine Depression ist am schönsten, wenn sie der richtige Mann einfach wegzaubert“, hat sie kürzlich zu Heike gesagt, deren Carlos ein echter Grobian ist.
„Du bist eine Hypochonderin – oder wie das heißt. Jedenfalls hast du nie und nimmer eine Depression; du nutzt deinen Werner nur aus“, hat Heike schnippisch geantwortet – aus purem Neid.
„Du bist ja nur missgünstig. Wenn du meinen Werner hättest … Dein Carlos, dieser Holzhacker, der hat da wohl weniger Geschick drin – oder?“
„Pah“, hat Heike geantwortet. „Ich krieg erst gar keine – Depression, meine ich. Und übrigens: Carlos ist ein Schatz. Bei uns gibt’s für so was keinen Grund. Depressionen! Ich glaub’s einfach nicht! Jedenfalls muss ich mir keine Sorge machen, dass der Carlos … Ach, ich sag lieber nichts.“
‚Was hat sie gemeint? War das eine Andeutung? Was weiß sie, was ich nicht weiß? Mist! Ich wusste bis gestern echt nicht, was eine Depression ist’, denkt sie. Aber seit gestern ist ja alles anders.

Als das schnurlose Telefon, das während der Gartenarbeit immer auf dem Tisch im Garten liegt, klingelte, dachte sie natürlich, es wäre Werner. Sie drückte das Telefon an die verschwitzte Schläfe, blies sich neckisch die Haarsträhnen aus der Stirn und ließ sich in den Gartenstuhl fallen.
„Werner! Kommst du früher? Ich bin gleich mit dem Pflanzen fertig. Du müsstest mich sehen! Ich seh’ aus! Bin völlig derangiert. Ich geh gleich duschen. Möchtest du …? Wenn du dich beeilst …“
„Frau Bungert?“ Das war nicht seine Stimme! Das war nicht Werner!
„Oh – entschuldigen Sie. Ist mir das peinlich! Ich dachte …“
„Hören Sie! Er konnte es gar nicht sein. Hat Besseres zu tun. Ihr Werner hat eine andere, wissen Sie das nicht?“
„Wie? Was soll das? Wer sind Sie? Wer …? — Wen meinen Sie?“
„Ihren Werner, liebe Frau Bungert. Ihren heiß geliebten Werner, mit dem sie so gerne duschen möchten. Ha! Ha! Hat gerade eine heiße Begegnung mit ihr, mit seiner Geliebten; vielleicht duschen die ja auch. Ha! Ha! Ist ja auch ein ganzes Stück jünger, diese …“
Sie drückte den roten Knopf, lehnte sich zurück und sah nur noch Nebel. Ewig hockte sie da. Ganz steif war sie schließlich, so lange saß sie völlig verkrampft. Kein klarer Gedanke im Kopf; keine Kraft in den Beinen, um aufzustehen.
Dann, nach einer ewigen Zeit, drückte sie die Kurzwahltaste für das Büro ihres Mannes. Sie wusste nicht, was sie ihn fragen würde; es war ihr auch völlig egal.
„Nein, Ihr Mann ist nicht im Büro, Frau Bungert. Er hat einen auswärtigen Termin — kann länger dauern, hat er gesagt. Kann ich was ausrichten? Ist es dringend?“
„Hat er sein Handy …?“
„Das Handy? – Ach, du meine Güte! Das tut mir Leid. Das hat er vergessen, das liegt hier.“
Nur ganz langsam bewegte sie sich, musste jede Bewegung einzeln anfordern. Sie erwischte sich dabei, dass sie halblaut sprach, wie häufiger in der letzten Zeit.
„Das ist das Alter. Du wirst senil“, hatte Werner letzte Woche gesagt und …
‚Genau! Fies gegrinst hat der dabei. Überheblich gegrinst, hat der Arsch! Dabei ist der kaum jünger als ich’, dachte sie und sah sein Gesicht vor sich. ‚Kann das denn sein? Ach, Quatsch, Hannelore. Wie oft ist Werner auswärts unterwegs. Aber da könnte er … Verdammt! Was weiß ich denn?’
Sie fühlte sich alt, schlapp und dreckig. Nach dem Duschen war’s etwas besser geworden und sie rief noch einmal an.
„Nein, er ist leider noch nicht zurück; tut mir schrecklich Leid, Frau Bungert.“
‚Diese falsche Ziege!’, dachte sie. ‚Die deckt den doch; die weiß doch sonst immer alles.’ Dann kam die Vernunft zurück. Bei einer Tasse Tee durchdachte sie alles noch einmal.
„Ja bitte?“, sagt sie noch ohne Sichtkontakt und seufzt dann auf. „Ach, du bist es. Komm rein, Heike. Willst du einen Kaffee?“
Heike schiebt sie wortlos an die Seite, stürmt voraus ins Wohnzimmer, dreht sich mitten im Raum um, stemmt die Arme in die Hüften und wirft giftige Blicke.
„Gib’s zu! Du bist es!“
„Ja, ja“, sagt Hannelore schlaff und bleibt in der Wohnzimmertür stehen. „Klar, ich meine, wieso zweifelst du daran?“
„Ha! Gut, du hast wenigstens soviel Mut, dass du es zugibst. Aber das genügt mir nicht.“
„Ich – ich kann mich zwar im Augenblick auch nicht gerade gut leiden, aber so schlimm ist es nicht, dass ich mich nicht mehr selbst erkenne. Was also bedeutet deine dunkle Rede?“
„Dunkle Rede? Du hast es doch gerade schnurstracks zugegeben, dass du mit Carlos ins Bett gehst. Das ist keine ‚dunkle’, sondern eine sündige Rede. Du bist ein Flittchen, meine Liebe. Ich hab’s schon immer gewusst – schon ewig. Deine tief ausgeschnittenen Kleider, nur um deine Titten zu zeigen, deine kurzen Röcke, nur um deine geilen Beine zu zeigen. Ha! Du gehst mit dem Mann deiner besten Freundin ins Bett.“
„Meiner besten Freundin? Wer soll das sein?“, fragt sie und stemmt nun ebenfalls die Arme in die Hüften. „Aber Scherz beiseite, meine Liebe. Wieso habe ich zugegeben, mit diesem … diesem Eichenklotz – entschuldige den Ausdruck – ins Bett zu gehen? Wo hast du das gehört?“
„Hier – hier!“, schreit Heike und zeigt mit einem Rundumschlenker ihrer Arme, die sie aber sofort wieder in die Hüften versenkt, auf die Wohnzimmereinrichtung. „Hier, jetzt gerade, hast du auf meine Anschuldigung gesagt: ‚Ja, ja, klar, wieso zweifelst du daran?’. Hast du oder hast du nicht?“
„Heike, du tickst nicht richtig! Du hast mich gefragt, ob ich denn ich bin. Klar hab ich ja gesagt, wer soll ich sonst sein?“
Heike denkt! Das sieht man – immer. Ganz langsam klappt ihre Kinnlade herunter, fallen die Arme kraftlos herab, sucht sie mit unstetem Blick nach einem Sessel und fällt in die Polster.
„Du … Also, du hast mich missverstanden? Du hast gar nichts …“
„Ich, dich missverstanden? Du hast Mist geredet und da konnte kein normaler Mensch anders drauf reagieren. Was also ist wirklich los? Sprich mal ganz langsam, in richtigen Sätzen. Vielleicht versteh ich dich dann. – Ich hab übrigens meinen eigenen Kopf voll mit Problemen. Wenn du also irgendeinen Mist loswerden musst, dann geh zur Müller von nebenan. Die hört sich gerne alles an.“
„Oh, Hannelore! Nicht die Müller – bloß nicht. Nein, nein! Warte, ich sag ja, was los ist. Also, da behauptet ein Kerl, du hättest was mit meinem Mann – also mit Carlos.“
„Ein Kerl behauptet, ich hätte was mit Carlos? – So? Wer? Warte, ich hol das Fleischmesser aus der Küche und dann gehen wir zu diesem Kerl. Dann soll der das noch mal wiederholen – im Angesicht des Todes.“
Sie geht in Richtung Küche und Heike springt hoch, hält sie fest. „Warte, warte. Also, um genau zu sein, der hat nicht gesagt, dass du … Ich dachte nur … Ich hab halt gedacht … Er, also Carlos, könnte ja nur … Wen sonst?, hab ich gedacht. Du bist doch die einzige Frau, die Carlos nahe gekommen ist – ich meine, die ihn verführen könnte. Du weißt schon, wegen damals, beim Tanzen im …“
„Sag mal, spinnst du? Das traust du mir zu? Und übrigens, dein Carlos kann mir gestohlen bleiben. Den kannst du mir nackt ins Bett legen, da schlaf ich bei ein. Also, das ist doch …“
„Hannelore! Du beleidigst deine besten, deine allerbesten Freunde!“
„Quatsch! Aber dein Carlos lässt mich eben kalt.“
„Ach? Hast du damals die Arme um seinen Nacken gelegt beim Tanzen? Oder hast du nicht?“
„Oh, mein Gott! Das ist zehn Jahre her. Und damals waren wir alle beschwipst. Da war doch nichts dabei.“
„Nichts dabei? Ha! Ich hab die Blicke von Carlos gesehen. Stieraugen hat der gehabt. In deinen Ausschnitt hat der geglotzt. Erzähl mir nichts.“
„Es reicht, Heike! – Jetzt noch mal von vorne. Wer hat was behauptet?“
„Ein Kerl, irgendeiner. Der hat mich schon zwei Mal angerufen – vorhin erst wieder. Ich würde von Carlos betrogen. Er ginge mit einer Schlampe – Schlampe hat er nicht gesagt – also mit einer anderen ins Bett. Ob ich keine Ahnung hätte. Und da bin ich durchgedreht, da dachte ich …“
Jetzt suchen Hannelores Augen nach einer Sitzgelegenheit. Sie lässt sich schwer in den nächsten Sessel plumpsen und stiert ihre Freundin an, die mit feuchten Augen um Fassung ringt.
„Siehst du!“, schluchzt die. „ Nicht wahr? Das wirft dich auch um? Das hättest du nicht gedacht, was? Verstehst du jetzt, warum ich so fassungslos bin? Carlos! Wenn Männer schon Carlos heißen. Don Carlos!“
„Oh, Heike“, haucht Hannelore. „Weißt du … Auch andere bekommen solche Anrufe. Äh – ganz bestimmt. Das sagt doch noch nicht, dass es …“
„Natürlich stimmt das! Ach, mir ist schlecht“, ruft Heike und wirft die Hände vors Gesicht. „Hilf mir doch. Mein Carlos, mit dem ich fünfzehn Jahre verheiratet bin, geht fremd. Ich werde schamlos betrogen.“
Plötzlich springt sie auf. „Ha! Vielleicht die Müller? Wenn du nicht … Du musst die Mal sehen, wenn die im Garten arbeitet. Da erblickst du alles, was die Natur so geschaffen hat. Ich bring das Flittchen um! Ich bring sie brutal um; ich schneide ihr die geilen Brüste ab, steche ihr die Augen aus. Wo ist dein Fleischmesser?“
Hannelore schluckt und versucht mühsam, den Kloß aus dem Hals weg zu kriegen. „Warte, Heike, langsam“, sagt sie endlich und fasst die Hand ihrer Freundin. „Hat der Kerl seinen Namen gesagt?“
„Nein. Hat er nicht. Bedauert hat er mich. Ein armes Mauserl sei ich. ‚Armes Mauserl’! Stell dir das vor; so eine Erniedrigung! Die ganze Welt weiß es wahrscheinlich, nur ich nicht.“
Jetzt muss auch Hannelore aufstehen, tief Luft holen, noch einmal kräftig durchatmen, ein sanftes, verzeihendes, alles verstehendes Gesicht aufsetzen und Heike die wirr hängenden Haare aus dem Gesicht streichen.
‚Mein Gott! Warum sag ich’s ihr nicht? Das war garantiert derselbe Telefonterrorrist; das erklärt doch alles – oder? Nein! Nein! Ich kenn doch die Heike. Morgen weiß es die ganze Straße. Nee, von sich erzählt sie nix, aber wenn ich auch betroffen bin. – Außerdem … Wenn nun Carlos und Werner? Männer! Könnten die nicht … Verdammt! Die haben schon zusammengehockt, als wir unsere Häuser gebaut haben und haben sich sauige Witze erzählt. Nee, Hannelore. Nee!’
„Ja bitte?“, sagt sie noch ohne Sichtkontakt und seufzt dann auf. „Ach, du bist es. Komm rein, Heike. Willst du einen Kaffee?“
Heike schiebt sie wortlos an die Seite, stürmt voraus ins Wohnzimmer, dreht sich mitten im Raum um, stemmt die Arme in die Hüften und wirft giftige Blicke.
„Gib’s zu! Du bist es!“
„Ja, ja“, sagt Hannelore schlaff und bleibt in der Wohnzimmertür stehen. „Klar, ich meine, wieso zweifelst du daran?“
„Ha! Gut, du hast wenigstens soviel Mut, dass du es zugibst. Aber das genügt mir nicht.“
„Ich – ich kann mich zwar im Augenblick auch nicht gerade gut leiden, aber so schlimm ist es nicht, dass ich mich nicht mehr selbst erkenne. Was also bedeutet deine dunkle Rede?“
„Dunkle Rede? Du hast es doch gerade schnurstracks zugegeben, dass du mit Carlos ins Bett gehst. Das ist keine ‚dunkle’, sondern eine sündige Rede. Du bist ein Flittchen, meine Liebe. Ich hab’s schon immer gewusst – schon ewig. Deine tief ausgeschnittenen Kleider, nur um deine Titten zu zeigen, deine kurzen Röcke, nur um deine geilen Beine zu zeigen. Ha! Du gehst mit dem Mann deiner besten Freundin ins Bett.“
„Meiner besten Freundin? Wer soll das sein?“, fragt sie und stemmt nun ebenfalls die Arme in die Hüften. „Aber Scherz beiseite, meine Liebe. Wieso habe ich zugegeben, mit diesem … diesem Eichenklotz – entschuldige den Ausdruck – ins Bett zu gehen? Wo hast du das gehört?“
„Hier – hier!“, schreit Heike und zeigt mit einem Rundumschlenker ihrer Arme, die sie aber sofort wieder in die Hüften versenkt, auf die Wohnzimmereinrichtung. „Hier, jetzt gerade, hast du auf meine Anschuldigung gesagt: ‚Ja, ja, klar, wieso zweifelst du daran?’. Hast du oder hast du nicht?“
„Heike, du tickst nicht richtig! Du hast mich gefragt, ob ich denn ich bin. Klar hab ich ja gesagt, wer soll ich sonst sein?“
Heike denkt! Das sieht man – immer. Ganz langsam klappt ihre Kinnlade herunter, fallen die Arme kraftlos herab, sucht sie mit unstetem Blick nach einem Sessel und fällt in die Polster.
„Du … Also, du hast mich missverstanden? Du hast gar nichts …“
„Ich, dich missverstanden? Du hast Mist geredet und da konnte kein normaler Mensch anders drauf reagieren. Was also ist wirklich los? Sprich mal ganz langsam, in richtigen Sätzen. Vielleicht versteh ich dich dann. – Ich hab übrigens meinen eigenen Kopf voll mit Problemen. Wenn du also irgendeinen Mist loswerden musst, dann geh zur Müller von nebenan. Die hört sich gerne alles an.“
„Oh, Hannelore! Nicht die Müller – bloß nicht. Nein, nein! Warte, ich sag ja, was los ist. Also, da behauptet ein Kerl, du hättest was mit meinem Mann – also mit Carlos.“
„Ein Kerl behauptet, ich hätte was mit Carlos? – So? Wer? Warte, ich hol das Fleischmesser aus der Küche und dann gehen wir zu diesem Kerl. Dann soll der das noch mal wiederholen – im Angesicht des Todes.“
Sie geht in Richtung Küche und Heike springt hoch, hält sie fest. „Warte, warte. Also, um genau zu sein, der hat nicht gesagt, dass du … Ich dachte nur … Ich hab halt gedacht … Er, also Carlos, könnte ja nur … Wen sonst?, hab ich gedacht. Du bist doch die einzige Frau, die Carlos nahe gekommen ist – ich meine, die ihn verführen könnte. Du weißt schon, wegen damals, beim Tanzen im …“
„Sag mal, spinnst du? Das traust du mir zu? Und übrigens, dein Carlos kann mir gestohlen bleiben. Den kannst du mir nackt ins Bett legen, da schlaf ich bei ein. Also, das ist doch …“
„Hannelore! Du beleidigst deine besten, deine allerbesten Freunde!“
„Quatsch! Aber dein Carlos lässt mich eben kalt.“
„Ach? Hast du damals die Arme um seinen Nacken gelegt beim Tanzen? Oder hast du nicht?“
„Oh, mein Gott! Das ist zehn Jahre her. Und damals waren wir alle beschwipst. Da war doch nichts dabei.“
„Nichts dabei? Ha! Ich hab die Blicke von Carlos gesehen. Stieraugen hat der gehabt. In deinen Ausschnitt hat der geglotzt. Erzähl mir nichts.“
„Es reicht, Heike! – Jetzt noch mal von vorne. Wer hat was behauptet?“
„Ein Kerl, irgendeiner. Der hat mich schon zwei Mal angerufen – vorhin erst wieder. Ich würde von Carlos betrogen. Er ginge mit einer Schlampe – Schlampe hat er nicht gesagt – also mit einer anderen ins Bett. Ob ich keine Ahnung hätte. Und da bin ich durchgedreht, da dachte ich …“
Jetzt suchen Hannelores Augen nach einer Sitzgelegenheit. Sie lässt sich schwer in den nächsten Sessel plumpsen und stiert ihre Freundin an, die mit feuchten Augen um Fassung ringt.
„Siehst du!“, schluchzt die. „ Nicht wahr? Das wirft dich auch um? Das hättest du nicht gedacht, was? Verstehst du jetzt, warum ich so fassungslos bin? Carlos! Wenn Männer schon Carlos heißen. Don Carlos!“
„Oh, Heike“, haucht Hannelore. „Weißt du … Auch andere bekommen solche Anrufe. Äh – ganz bestimmt. Das sagt doch noch nicht, dass es …“
„Natürlich stimmt das! Ach, mir ist schlecht“, ruft Heike und wirft die Hände vors Gesicht. „Hilf mir doch. Mein Carlos, mit dem ich fünfzehn Jahre verheiratet bin, geht fremd. Ich werde schamlos betrogen.“
Plötzlich springt sie auf. „Ha! Vielleicht die Müller? Wenn du nicht … Du musst die Mal sehen, wenn die im Garten arbeitet. Da erblickst du alles, was die Natur so geschaffen hat. Ich bring das Flittchen um! Ich bring sie brutal um; ich schneide ihr die geilen Brüste ab, steche ihr die Augen aus. Wo ist dein Fleischmesser?“
Hannelore schluckt und versucht mühsam, den Kloß aus dem Hals weg zu kriegen. „Warte, Heike, langsam“, sagt sie endlich und fasst die Hand ihrer Freundin. „Hat der Kerl seinen Namen gesagt?“
„Nein. Hat er nicht. Bedauert hat er mich. Ein armes Mauserl sei ich. ‚Armes Mauserl’! Stell dir das vor; so eine Erniedrigung! Die ganze Welt weiß es wahrscheinlich, nur ich nicht.“
Jetzt muss auch Hannelore aufstehen, tief Luft holen, noch einmal kräftig durchatmen, ein sanftes, verzeihendes, alles verstehendes Gesicht aufsetzen und Heike die wirr hängenden Haare aus dem Gesicht streichen.
‚Mein Gott! Warum sag ich’s ihr nicht? Das war garantiert derselbe Telefonterrorrist; das erklärt doch alles – oder? Nein! Nein! Ich kenn doch die Heike. Morgen weiß es die ganze Straße. Nee, von sich erzählt sie nix, aber wenn ich auch betroffen bin. – Außerdem … Wenn nun Carlos und Werner? Männer! Könnten die nicht … Verdammt! Die haben schon zusammengehockt, als wir unsere Häuser gebaut haben und haben sich sauige Witze erzählt. Nee, Hannelore. Nee!’
‚Ich bin ja so blöde’, denkt sie. ‚Ach, mein Werner! Mein treuer Werner!’
„Freust du dich? Hab ja auch lange keine Blumen mehr mitgebracht.“
„Ja, ja. Ich freue mich. Danke“, sagt sie dem duftenden Hals und erblickt einen kleinen, stecknadelkopfgroßen, leicht verschmierten, roten Fleck am Hemdkragen.
‚Nein!’, denkt sie. ‚Nein! Hannelore, denk jetzt keinen Quatsch. Warum sollte …’
Ihre Gedanken purzeln durcheinander, lassen den kleinen Punkt anwachsen zu einem riesigen Schandfleck. Sie lässt die Arme sinken, sieht in das Gesicht, dass sie so gut kennt, blickt in die blauen Augen, sieht den leichten Schweißfilm auf der Oberlippe, die grauen Bartstoppen, die sie immer so kitzeln und beschließt, ab sofort nicht mehr an ihm, an seiner Treue, zu zweifeln.
‚Oder? Hat dieser Scheißterrorist doch Recht? Verdammt! Wenn das Schwein … Ach, was war das Leben doch schön und einfach – bis gestern’, denkt sie und eilt in die Küche, um die Blumen ins Wasser zu stellen.
Sie blickt aufs Telefon, ordnet die Rosen automatisch, ohne hinzusehen. ‚Vielleicht ruft er noch einmal an? – Ja, ruf an, du Saukerl, wenn es stimmt! Und dann zeig mir deine Beweise.’
Sie seufzt und gibt sich einen Ruck. „Werner?“, ruft sie laut. „Was hältst du davon, wenn wir eine Flasche Champagner aufmachen, Wernerlein? Du bist ja der Kellermeister; hol uns doch einen schönen Tropfen aus dem Kühlschrank.“