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„Das fremde Land“ Roman von Eduard Breimann

Spielt die Handlung auch in Dormagen?

 In farbigen Bildern schildert der Roman „Das fremde Land“ vor allem das Leben der Hauptprotagonistin, Angela Pawlowska – Aja, wie ihre Freunde sie nennen.

Breimann schildert vergangene und heutige Erlebnisse von Aja an zwei Orten und in vier verschiedenen Ebenen. Das einfache Leben in einem russischen Dorf der Stalinzeit vor dem Krieg; der Einfall der Deutschen Wehrmacht 1941 und die Verschleppung von Kindern und Frauen nach Deutschland, die Leiden hier in den Jahren 1941 bis 1945 und schließlich in der Jetztzeit die Rückkehr nach Deutschland , in der sie das neue, aber immer noch fremde Land mit dramatischen Gefühlsausbrüchen erlebt.

Aja ist ein einfaches, warmherziges Kind im Russland der Stalinzeit. Ihre dramatischen Erlebnisse im kleinen Dorf an der Desna, sowie ihre Zwangsverschleppung nach Deutschland und ihre bösen Erfahrungen, die sie hier machen musste und schließlich die Erschütterungen, die der Besuch im Deutschland der Gegenwart bei ihr auslösen, gehen jedem Leser zu Herzen.

Im Kontrast dazu steht das heutige Geschehen in einer kleinen rheinischen Stadt, wo sich Schüler einer Gesamtschule mit einem Projekt dafür einsetzen, dass den ehemaligen Zwangarbeitern durch Auszahlung der zustehenden Entschädigungen endlich ein wenig Recht geschieht. Äußerst glaubwürdig und ergreifend zeigt Breimann, wie die Geschichte, über Jahrzehnte hinweg, die früheren Geschehnisse mit den heute Lebenden verstrickt.
Schüler, Lehrer, Unternehmer, Journalisten und Politiker spielen hier Rollen, die uns vertraut sind und auf intensive Weise eigenes Erleben bestätigen.

Breimann versteht es in seinem neuen Roman, ein immer noch heikles Thema, das heutige Problem mit den Zwangsarbeitern des letzten Weltkriegs in Deutschland, auf eine unter die Haut gehende Weise, spannend und anrührend darzustellen.
Der Roman beleuchtet nicht nur Vergangenheit und Gegenwart in Russland, sondern auch die Verwicklungen, die durch das Eintreten einer Schüler-Projektgruppe für eine zügige Entschädigung, in einer rheinischen Kleinstadt ausgelöst werden.

Das Bild der Kleinstadt, nur 20 Autominuten von Köln entfernt, gleicht in vielen Einzelheiten, dem der Stadt Dormagen. Dem aufmerksamen Leser fallen sicher zahlreiche Stellen auf, die frappierend an unsere Stadt erinnern.

Sowohl in der fiktiven Stadt, die Eduard Breimann in seinem Buch vorstellt, wie in Dormagen, gab es Nazis und gibt es Neonazis. Es gab und gibt hier eine chemische Industrie, in der damals Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Es gab ein Lager, in dem die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter damals kaserniert waren und auch in der Dormagener Landwirtschaft wurden Zwangsarbeiter beschäftigt. Viele ehemalige Nazis waren hier später – wie im Roman – angesehene, sogar geehrte Bürger im neuen Dormagen. Auch hier gibt es eine Gesamtschule, die sich intensiv mit dem Leben, Leiden und Sterben der Zwangsarbeiter beschäftigt hat. Und schließlich findet – wie im Roman – findet alljährlich eine bewegende Gedenkfeier der Schützen für die Gefallenen statt – und die Gräber der hier verstorbenen Zwangsarbeiter kennt man nicht, sind wohl auch eingeebnet.

Dies sind nur einige Beispiele. Natürlich sind, wie Breimann betont, die Figuren in diesem Roman fiktiv, das heißt rein der Fantasie entsprungen, ihre Handlungen sind keinem realen Menschen zuzuordnen. Breimann: „Ähnlichkeiten mit toten oder lebenden Dormagenern sind ungewollt, rein zufällig und sollen niemanden bloß stellen.“

Interview mit Eduard Breimann zum Thema Zwangsarbeiter im Roman

„Das fremde Land“

Schaufenster: Herr Breimann, Sie haben in dem Buch „Das fremde Land“ eine Frau in den Mittelpunkt gestellt, die zum Zeitpunkt der Verschleppung nach Deutschland gerade mal 11 Jahre alt war. Gab es das wirklich?

Breimann: Ja, das ist einer der erschreckenden Aspekte. Jungen und Mädchen wurden bereits ab diesem Alter aus ihren Dörfern entführt, anders kann man das nicht nennen. Es gibt ungezählte Beispiele dafür. Zig-Tausende wurden so als Arbeitsmaschinen nach Deutschland geholt.

Schaufenster: Wurden Zwangsarbeiter tatsächlich so schlecht behandelt? Gab es viele Tote?“

Breimann: Es ist erschreckend, wenn man die Berichte von Überlebenden, wenn man die Listen der Namen der hier verstorbenen Zwangsarbeiter liest.

Schaufenster: Der Stoff und die von Ihnen beschriebene Handlung sind dramatisch, schildern oft auf bewegende Weise das Denken und die Gefühle der Aja. Warum können Sie das? Wie kann man sich so in einen Menschen herein denken?

Breimann: Das ist einer der schwierigsten Teile beim Schreiben. Sie müssen nicht nur mit Fantasie, sondern auch mit der Bereitschaft Gefühle für die beschriebenen Personen zu entwickeln, an das Thema heran gehen. – Aja hat mich furchtbar bewegt und aufgewühlt.

Schaufenster: Wie ist es zu diesem Buch gekommen? Gab es einen Anstoß, ein Ereignis, das Sie dazu gebracht hat, über dieses Thema zu schreiben?

Breimann: Ja, es gab diesen Anstoß. Als damaliger Beirat im Stadtarchiv Dormagen wurde ich eines Tages gefragt, ob ich bei der Suche nach einer Person helfen könne. Es gab da den Brief einer russischen Frau, weit über 70 Jahre alt, in dem sie schilderte, dass sie hier in Dormagen von 1941-1945 als Zwangsarbeiterin auf einem Bauernhof gearbeitet hatte. Sie wollte nun ihre karge Rente in Russland aufbessern und dazu musste sie, so verlangten es die russischen Behörden, selber den Nachweis für ihre Zwangsarbeitszeit in Deutschland erbringen.“

Schaufenster: Und? Konnten sie helfen?

Breimann: Das war reiner Zufall. Der einzige Hinweis, den die alte Frau geben konnte, war ein Foto. Ein Passfoto, das den Mann zeigte, bei dem sie als Zwangsarbeiterin gearbeitet hat. Ich kannte den Mann auf diesem Bild! Er war schon lange tot, aber ich konnte über seine Kinder bestätigen lassen, dass diese Frau damals hier eingesetzt war. Ich muss anmerken, dass diese Frau nur Gutes zu berichten wusste über die Art, wie sie damals auf dem Bauernhof behandelt wurde – anders als es der Aja im Roman ergangen ist. Und noch eins: Als ich das Alter der Frau zurück rechnete, war ich entsetzt. Sie war damals, 1941, genau 11 Jahre alt. Das war der Anstoß zum Recherchieren, zum Hinterfragen und letztlich zum Schreiben.

Schaufenster: Das alles, und viele Fakten aus dem Roman, lassen vermuten, dass es sich bei der Kleinstadt um Dormagen handelt. Auch die von Ihnen beschriebene Kleinstadt liegt etwa 20 Autominuten von Köln entfernt und weist eine große Anzahl von Übereinstimmung auf.

Breimann: Nicht ist unmöglich. Übereinstimmungen sind vielleicht zufällig? Vielleicht auch nicht? Vielleicht hat mich der eine oder andere Dormagener Aspekt inspiriert? Könnte es tatsächlich Dormagen sein? Oder eine Stadt auf der anderen Rheinseite? Nun, ich bleibe dabei: Personen in diesem Roman – soweit sie nicht der Geschichte angehören – sind fiktiv, also erfunden. Die anderen Dinge? Wissen Sie, es hat in Dormagen, genau wie in anderen Städten, bösartige Mitläufer, gewissenlose Nutznießer und auch verbrecherische Menschen gegeben. Wer wollte das leugnen? Es kommt darauf an, dass man begreift, dass es auch hier möglich war, dass auch Dormagen keine Insel der Heiligen und Nicht-Nazis war. Der Leser muss sich selber sein Bild machen.

Schaufenster: Werden Sie das Buch in Lesungen vorstellen und sich den Fragen stellen?

Breimann: Ja. Es sind bereits Lesungen geplant. Die Termine werden rechtzeitig bekannt gegeben.

Schaufenster: Vielen Dank für das Interview. Wir hoffen, dass der Roman eine aufgeschlossene Leserschaft findet und sind auf Reaktionen gespannt.